9
Jan
2012

Raumfrauen

Dieser Eintrag bezieht sich auf einen Artikel in der Zeit von Nina Pauer:

http://www.zeit.de/2012/02/Maenner

Meine Ansicht der Sache sieht so aus!
Es könnte alles so einfach sein. Viele Versprechungen für die berüchtigte Nacht ins neue Jahr. Alles könnte anders werden. Diese Nacht könnte es passieren. Wird es nicht, aber das weiß der junge Mann von heute natürlich nicht. Hofft dennoch. Er trinkt sich Mut an und tanzt. Und er tanzt gut. Bewegt sich nicht ungelenk und nimmt die Hände dabei nie über den Kopf. Er hat alles durchgeplant und zuvor über viele Abende hinweg perfektioniert. Erfolglos.
Er weiss überhaupt nicht mehr, welche Rolle er spielen soll. Bei dem Herumgezappel im Club, kommt er sich vor ein Pfau, welcher ein Rad schlägt.

Schuld an seiner jungmännlichen - okay, dann nennen wir doch es so - Indentitätskrise ist, nicht nur die Gesellschaft. Nein, so einfach ist eben dann genau nicht mehr. Der junge Mann von heute lungert in der Großstadtbar rum, weil er hofft, endlich nicht mehr ganz so alleine in dieser Welt zu sein. Er möchte eigentlich nicht mal hier sein und tanzen will er auch nicht. Viel zu faul für diesen ganzen Quatsch möchte er viel lieber einfach zu Hause auf der Couch sitzen und sensible, trotzdem starke Musik hören. Er möchte Listener, Ola Podrida, Bon Iver und Conor Oberst hören. Nur eben nicht allein mit dem Glas Rotwein.

Der junge Mann von heute ist melancholisch, ängstlich und sensibel, weil die Erfahrungen, welche er machen musste, keine andere Einstellung respektive Körperhaltung zulassen. Wir haben eben nicht mehr 1995. Es ist 2012 und da dreht sich die Welt ein kleines bisschen anders.
Zeigen Sie, Nina, mir einen Anfangs- bis Mittzwanziger der noch alle seine Freunde hat oder zumindest sagen kann, dass alle noch am Leben sind. Zeigen sie mir zehn Anfangs- bis Mittzwanziger aus ihrem Freundeskreis, bei denen die biologischen Eltern sich noch lieben, sie nicht schon lange geschieden sind.
Der bärtige, nerdig bebrillte Typ in grauem Cardigan mit ledernen Aufnähern an den Ellenbogen ist melancholisch, nachdenklich und auch ein bisschen mürrisch, weil er Angst, Schmerzen oder einen Hund aus der letzten Beziehung hat.
Er ist genau an dem Punkt in seinem Leben, wo ihm auffällt wie viele Partnerschaften schon an den Baum geknallt sind. One Night Stands hat er auch probiert. Er ist mittelschwer verzweifelt. Er muss nachdenken, muss auswerten und er muss begreifen. Und das macht er nicht, weil Bon Iver das auch so macht, sondern weil er ganz von selbst da hinein rutscht. Soziales Selbstupdate, sozusagen.
Er hat Angst davor, dass ihm das wieder passiert. Er hat fürchtet den Schmerz und dazugehörigen Alkohol. Er will nicht wieder irgendwen Nachts anrufen und weinen. Denn das machen die jungen Männer von heute: sie rufen ihre Freunde an und heulen. Sie heulen wie Baby‘s. Oder saufen erst wie die alten Römer und greinen dann. Die Zeit der Männer, welche nach einer Trennung einfach übers Wochenende zur Ablenkung nach Malle fliegen, ist vorbei. Und soll ich Ihnen, Nina, etwas sagen? Das ist auch gut so.

Warum aber zerbrechen all diese Lebensentwürfe von der Welt „Eins Plus Eins“. Hat daran wirklich nur der müde und nachdenklich drein blickende, etwas neurotische junge Mann schuld? Ich glaube nicht.
Dort wo Schmerzensmänner ablegen, werden Frauen immer aktiver.
Die junge Frau von heute ist auch nicht mehr nur sensibel und sehnt nach einer starken Brust. Die junge Frau von heute will überhaupt nicht, dass ihr Freund, einem Primaten ähnlich, alles und jeden davon abhält ihr auf den Arsch zu glotzen oder sich wegen irgendwelchen Nichtigkeiten kloppt. Die junge Frau von heute möchte sich viel lieber selbst ausdrücken und wehren, wenn es dazu kommen sollte.
Die junge Frau von heute möchte doch selbstständig und emanzipiert sein. Sie trägt weite zwingend nicht körperbetonte Trainingshosen und ernste Zöpfe. Sie möchte kein Getränk ausgegeben bekommen und Kinder möchte sie auch nicht. Oder zumindest nicht vor dreißig. Sie will unabhängig sein und Karriere machen.

Gut das ist. Richtig auch. Nur wo soll der junge sensible und etwas gerüttelte Mann dann angreifen. Darf er hingehen und fragen ob man zusammen an die Bar möchte um etwas zu trinken. Natürlich darf man, denn was kann schon schief gehen?
Man kann einen Korb bekommen! Aushalten kann man den einen schon. Nur wird es dabei nicht bleiben. Ganz zu schweigen von dem Gelächter am Tisch sobald man ihnen den Rücken zugedreht hat. Der junge Mann wird sich keine fünf Minuten mehr in der Bar aufhalten können. Sein kleines, gleich einem in der Waschmaschine gewaschenem Taschentuch, zerfleddertes Herz schrumpft in sekundenschnelle auf die Größe eines Kornkorkens zusammen. Die junge Frau von heute ist selbst verletzt genug. Sie hat keine Lust auf Beziehungskrach, möchte sich nicht anpassen. Die junge Frau will Freiraum. Sie will so bleiben wie sie ist. Und genau diese Tatsache treibt den Keil - nennen wir ihn: Missverständnis - zwischen zwei potentielle Partner.

Der junge Mann versucht mit einem Mixtape etwas über die Bekanntschaft zu erfahren. Sollte ein Mann einen Song auf eine CD brennen in welchem »Ich gebe zu, dass ich dich mag« gesungen wird, dann ist das nichts weiter als ein vorsichtiges Herantasten. Ein Ausloten der Grenzen. Er wartet auf kleine Randnotizen. Wenn sie ihn auf explizit dieses Lied oder besser noch diese Zeile, aufmerksam macht, wird er den nächsten Schritt tun. Und überhaupt: Warum sollte ein Mann einer Dame eine Mixtape-CD brennen? Weil er befreundet sein will? Come on, so naiv kann man dann doch gar nicht sein. Er will sie. Ganz und gar. Und das so schnell wie möglich.
Übrigens: Je trauriger die Songs sind, desto mehr will er sagen: „ Girl, ich bin kein harter Typ. Hiermit zeige ich dir, wer ich bin. Ich hoffe das ist okay“. Und jetzt sagen Sie mir, dass er damit nicht alles auf eine Karte setzt. Das ist Mut im 21. Jahrhundert. Und ich gehe sogar so weit, dass es romantisch ist.
Es ist für den jungen Mann der Weg, ihr etwas mitzuteilen. Er hofft, sie hört es und denkt darüber nach. Das würde ihm schon reichen.
Übrigens ist eine Neurose nur eine intensive Art sich und sein Umfeld zu beobachten. Kann das schlecht sein!?

Es liegt an der jungen Frau. Was möchte sie? Wenn sie sich für den jungen, sensiblen Typen entscheidet und ein kleines bisschen Kraft investiert, wird es ein Fest sein, ihn zum ersten Mal laut und befreit lachen zu hören. Nur wird sie, und das ist gewiss nicht zu viel verlangt, etwas Eigeninitiative bringen müssen. Der junge sensible Typ wird mit dem Hund aus der ehemaligen Beziehung zu seiner Rechten und dem Kinderwagen vor ihm des Nachts, das schreiende Kind durch den Großstadtkiez schieben. Ich verspreche es: er wird bleiben! Er wird.
Wenn die junge Frau einen unnahbaren, großen und humorvollen Typ haben will, an welchen sie sich anschmiegen kann, dann muss sie nur zu McFit gehen.

Liebe Nina Pauer,
nicht nur der junge Mann ist ein Anderer als vor zehn Jahren!
Wir jungen Leute, sind einfach verkopft, nachdenklich und kompliziert. Es geht um ehemalige Liebe und verpasste Gelegenheiten. Ja, und wo ist das Problem?
Wir gehen doch auch nicht mehr, wie unsere Eltern einst, zum „Tanz“ und fordern eine Dame auf, mit uns die Tanzfläche zu stürmen. Wir wollen keine Frau am Herd. Das war 1975 so. Das war vielleicht noch 1995 so. Aber da hat Milch auch noch 50 Pfennige gekostet. Es ist 2012. Wir haben einen schwachen gebrechlichen Euro und wir haben schwache gerüttelte junge Männer. Also warum haben wir dann keine jungen Frauen, welche den Mut haben einen Mann anzusprechen? Warum sollte sich das nicht auch ändern?

Wir jungen sensiblen Typen, die für einen Drei-Tagebart mindestens fünf Tage brauchen, wollen eine Summe. Aus Eins und Eins! Wir wollen nicht nur zufrieden sein, sondern dauerhaft glücklich. Zeigen sie mir etwas das heutzutage komplizierter ist!


Abschließend möchte ich ihnen sagen: Dieser junge Mann ist wahrscheinlich ein Waschlappen, ein Weichei, ein Warmduscher und alles andere als der Beschützertyp. Er wird sich „ How i met your Mother“ nicht wegen Barney Stinson anschauen. Nein, er wird es tun, weil er der selbe leicht debile und verplante Verlierertyp ist, wie Ted Mosby. Auch er wird sie auf Händen tragen. Auch er wird lockerer werden. Auch an ihn werden Sie sich anlehnen können. Aber er braucht einfach etwas mehr Zeit. Mehr Zeit kann nicht negativ sein. Und Mitleid will er gar keins.

Profil
Abmelden
Weblog abonnieren